Politik
Trump will eine „Menschenmauer“ gegen die Migranten errichten.(Foto: REUTERS)
Montag, 05. November 2018
Von Roland Peters
Das US-Präsidentenamt steht bei den Midterms nicht zur Wahl, wohl aber Republikaner, die Trump das Regieren erleichtern. Wenn der eines kann, dann Ängste schüren. Entsprechend konzentriert er sich auf das Thema Einwanderung.
Seit seinem Einzug ins Weiße Haus hat Donald Trump den Wahlkampf nie wirklich beendet. Er schmeißt weiter mit Halbwahrheiten und Lügen um sich, dämonisiert die Demokraten und lässt sich dafür regelmäßig auf Kundgebungen von seinen Anhängern feiern. Für die Kongresswahlen am 6. November, die Midterms, musste er sich also nicht groß umstellen. Die ihm vertrauten Waffen bleiben seine wirksamsten: Angst, Andeutungen, Verdrehungen.
In seinen ersten beiden Amtsjahren konnte Trump nahezu durchregieren, weil die Republikaner in beiden Parlamentskammern des Kongresses die Mehrheit hatten. Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich das zu Gunsten der Demokraten umkehrt, aber sehr gut möglich, dass sie zumindest im Repräsentantenhaus die Mehrheit erobern. Das würde Trump und den Republikanern erschweren, ihre Gesetzesvorhaben durchzubringen. Entsprechend giftig ist der Wahlkampf. Die politischen Gegner sind jedoch auch keine inhaltlichen Engel.
Die nationalen Topthemen der Wähler bei den Kongresswahlen sind Gesundheitsversorgung, Wirtschaft und Einwanderung, hat Gallup in Umfragen herausgefunden. Es folgen Frauenrechte, Waffengesetze und Steuern. Im Wahlkampf der Parteien dominierten die Themen Einwanderung und Gesundheitsversorgung. Für über 70 Prozent der Wähler, die sich den Demokraten oder Republikanern zurechnen, ist auch die Kontrolle über die beiden Parlamentskammern entscheidend; laut Pew Research Center ist das ein wesentlich höherer Anteil als bei sämtlichen Zwischenwahlen der vergangenen 20 Jahre. An diesem Dienstag stimmen die Amerikaner über alle Sitze im Repräsentantenhaus und ein Drittel der Senatorenposten ab. Aber die sogenannten Midterms sind die ersten landesweiten Wahlen, seit Donald Trump vor zwei Jahren gewann. Und damit auch ein nationaler Stimmungstest über dessen Präsidentschaft.
Trump und Einwanderung
Für die Republikaner war das Top-Thema im Wahlkampf die Einwanderung, vor allem die „Migrantenkarawane“ aus Mittelamerika in Richtung USA, die Trump und seine Kandidaten instrumentalisiert haben. Dabei ist schon der Begriff „Karawane“ problematisch, weil der Begriff eine vermeintliche Andersartigkeit der vor Gewalt und Kriminalität fliehenden Menschen suggeriert. Insgesamt 7000 Menschen ziehen laut Angaben von US-Grenzbeamten gemeinsam aus Mittelamerika nach Norden. Trump hat angekündigt, 15.000 Soldaten einzusetzen, um die angebliche Bedrohung abzuwehren – mehr Truppen als im Krieg gegen die Terrorarmee „Islamischer Staat“ und ebenso viele wie in Afghanistan. „Wir brauchen eine Menschenmauer“, sagte Trump. Die Migranten befinden sich allerdings noch im südlichen Mexiko, etwa 1100 Kilometer von der US-Grenze entfernt. Allein diese Zahlen zeigen, dass Trump Angstmacherei betreibt.
Trump ist aber noch viel weiter gegangen. So behauptet er, unter den Fliehenden seien „unbekannte Personen aus dem Nahen Osten“, „sehr harte Kämpfer“ und eine große Anzahl gewalttätiger Krimineller. Das könnte stimmen, Belege lieferte Trump jedoch nicht. Das Ministerium für Heimatschutz spricht von 270 Kriminellen in der „Karawane“, dazu kämen „Personen aus mehr als 20 Ländern“, darunter Somalia und Afghanistan. Zudem rechnet das US-Militär einem geleakten Dokument zufolge ohnehin damit, dass nur rund 1400 Migranten die Grenze überhaupt erreichen. Trump ist das egal, am Ende des Wahlkampfes sprach er gar von „Millionen illegalen Ausländer“, von den Demokraten ermuntert, „Gesetze zu brechen“, Grenzen zu überrollen“, und sogar die „Nation zu zerstören“. Zudem twitterte er vor wenigen Tagen ein Video, das im Wechsel Aufnahmen der Flüchtenden und eines lachenden mexikanischen Polizistenmörders vor einem US-Gericht zeigt, der sagt, er wolle noch mehr Beamte töten. Zugleich ist zu lesen: „Demokraten haben ihn ins Land gelassen. Demokraten haben ihn bleiben lassen. Wen würden sie sonst noch hineinlassen?“ Das ist nicht nur rassistisch, sondern auch eine maßlose Übertreibung. Die Demokraten sind zwar für tolerantere Einwanderungsregeln als die Republikaner, aber auch sie wollen keine offenen Grenzen.
Trump behauptet auch, er könne per Dekret die Staatsbürgerschaft per Geburt abschaffen, die in der Verfassung garantiert ist. Sehr wenige Juristen glauben, dass er damit durchkommen könnte, aber das Land diskutiert darüber. Der Kampf um die Deutungshoheit drückt sich auch in Zahlen aus. Für entsprechende Wahlwerbevideos gaben Politiker beider Parteien bislang über 124 Millionen Dollar aus, das ist fünf Mal so viel wie bei dem Midterms im Jahr 2014. Trump und die Republikaner haben das Thema Einwanderung also erfolgreich auf der Agenda gehalten. Damit bedient er vor allem die eigenen Wähler: Mitte Oktober war für 75 Prozent der Republikaner illegale Einwanderung eines der Hauptprobleme des Landes, aber nur für 19 Prozent der Demokraten. Dies dürfte ein Grund für die Eskalation des Wahlkampfes gewesen sein.
Demokraten und Gesundheitsversorgung
Das Hauptthema der Demokraten war die Gesundheitsversorgung. Dabei ging es besonders darum, ob Krankenversicherungen weiterhin verpflichtet sein sollen, Menschen mit Vorerkrankungen aufzunehmen. So ist es im Affordable Care Act alias Obamacare festgeschrieben. Das Gesetzespaket ist aber ohnehin schon ausgehöhlt, weil ab kommenden Jahr niemand mehr Strafe zahlen muss, der sich nicht krankenversichert und zudem 18 von 51 Bundesstaaten nicht wie erhofft die öffentliche Gesundheitsversorgung ausgeweitet haben. Etwa 40 Millionen Menschen in den USA haben damit weiterhin keine Krankenversicherung. Zudem klagen 20 Bundesstaaten derzeit gegen Obamacare.
Engel waren auch die Demokraten in ihren Wahlkampagnen nicht: In einigen Bundesstaaten behaupteten sie, Republikaner würden das Vorerkrankungsprinzip komplett abschaffen wollen. Das ist eine Übertreibung, denn viele Republikaner, etwa im Gouverneursrennen in Florida, ums Repräsentantenhaus in North Carolina oder in Virginia, wollen es zumindest teilweise erhalten. Trump ist sich die Brisanz des Themas bewusst, denn insbesondere für ältere Menschen, die tendenziell eher republikanisch wählen, ist dies eine existenzielle Angelegenheit. Allerdings behauptete er Anfang Oktober, seine Partei würde sich immer „um Vorerkrankungen kümmern“, es seien dagegen die Demokraten, die das Prinzip abschaffen wollten. Er wiederholte die Behauptung drei Wochen später in einem Tweet. Zumindest die Behauptung über den politischen Gegner ist eine glatte Lüge.
Stimmt seine Aussage über die Republikaner, wäre das nicht weniger als eine historische Wende, denn das Ende des Affordable Care Act war eines der zentralen Versprechen in Trumps Präsidentschaftswahlkampf. Im vergangenen Jahr versuchten die Republikaner, das Gesetzespaket in dramatischen Senatsabstimmungen zu kippen, scheiterten aber. Noch im Juni teilte die Trump-Regierung einem Bundesgericht mit, es schütze das Gleichbehandlungsprinzip des Affordable Care Act nicht mehr. Das Justizministerium argumentierte, es halte das Gesetz für verfassungswidrig. In der Bevölkerung jedoch ist die Unterstützung für Obamacare groß, inzwischen wollen es 58 Prozent der US-Amerikaner behalten. Die Demokraten haben also auf ein mehrheitsfähiges Thema gesetzt: 53 Prozent der US-Amerikaner sagten Mitte Oktober, die Demokraten machten bessere Arbeit bei Gesundheitsthemen, nur 35 Prozent sagten dies über die Republikaner. Vielleicht hat sich Trump diesmal einfach nur der Realität angepasst.
Quelle: n-tv.de
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